Von Krieg und Frieden

Sadhguru: Die Kräfte von Liebe und Mitgefühl und von Wut und Hass wirken immer in der Welt. Es ist ein Schaukelspiel. Die Frage ist, welches Ende der Schaukel willst du belastet haben? Wenn wir wirklich am Rande einer schrecklichen Situation stehen, ist es umso wichtiger, dass der spirituelle Prozess energischer angewandt wird, denn das ist letztlich das Einzige, was den gesunden Menschenverstand in der Welt aufrechterhalten wird. 

Wenn die Wirtschaft das Wichtigste ist

Wenn wir uns die Situation ansehen, die wir derzeit in der Welt schaffen, haben wir die Grundlagen dafür gelegt, dass es keinen Frieden auf diesem Planeten gibt. Das hat verschiedene Aspekte. Ein wichtiger Aspekt ist, dass wir die Wirtschaft zum wichtigsten Teil des menschlichen Lebens machen.

In der heutigen Welt – deine Liebe, deine Freude, deine Freiheit, deine Empfindsamkeiten – nichts davon ist jetzt noch wichtig; das Wichtigste ist die Wirtschaft. Wenn man einmal so ist, sind Kämpfe unvermeidlich, denn der Motor der Wirtschaft ist nicht etwas, das man zurückhalten und irgendwo stoppen kann. Er muss weiterlaufen, nur so kann er funktionieren. Wenn wir auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen leben und der Motor der Wirtschaft unser Leben antreibt, ist Krieg unvermeidlich, Frieden ist unmöglich.

Solange die anderen Dimensionen des Lebens nicht in jedem Einzelnen gestärkt und in sozialen Situationen wertgeschätzt werden, ist Frieden nicht einmal eine Möglichkeit. Wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der unsere Werte auf alle Aspekte des Lebens ausgedehnt werden. Musik, Kunst, Liebe, Fürsorge, all diese Dinge sind genauso wichtig wie die Wirtschaft. Vielleicht würde die Börse nicht die 20.000er Marke erreichen, aber im Allgemeinen würden die Menschen mehr lächeln, ein wenig glücklicher sein, ein wenig liebevoller – das Leben wäre schöner.

Religion zu einem inneren Prozess machen

Ein anderer Aspekt ist, dass das, was man heute in der Welt leider als Religion bezeichnet, nur ein Glaubenssystem von jemandem ist. In dem Moment, in dem man anfängt, an Dinge zu glauben, die für einen selbst keine lebendige Erfahrung sind, befindet man sich naturgemäß in einem Konflikt, seht das bitte. Heute bist du ein friedlicher Mensch, aber morgen, wenn jemand dein Glaubenssystem wirklich in Frage stellt, wirst du aufstehen und kämpfen.

Worin besteht die Intelligenz, sich in den Glauben zu begeben? Worin liegt der Vorteil, sich in den Glauben zu begeben? Das Einzige ist, dass sich dein Ego wohlfühlt. „Ich weiß es nicht“ ist ein großer Verlust für das Ego. „Ich weiß“ ist die einzige Möglichkeit, das Ego wachsen zu lassen, nicht wahr? Wenn du in einer bestimmten Situation „Ich weiß nicht“ sagst, bist du unfähig, mit jemandem zu streiten, du bist unfähig zum Konflikt. Du bist ein sehr bescheidener und wunderbarer Mensch.

Wenn du nicht in der Lage bist, Frieden in dein eigenes Wesen zu bringen, wirst du auch nicht in der Lage sein, der Welt Frieden zu bringen. Wenn du dein kleines Gemüt nicht friedlich machen kannst, wie willst du dann die Welt friedlich machen? Was du in der Welt siehst, ist nur eine Projektion deines kleinen Gemüts, eine vergrößerte Projektion deines Gemüts. Gibt es irgendetwas, das in der Welt geschieht, das nicht in deinem Gemüt geschieht? Es geschieht. Die Wissenschaft des Yoga ist ein Weg, um nach innen zu schauen. Nicht von irgendeinem Standpunkt, sondern einfach um nach innen zu schauen.

Das Problem begrenzter Identifikation

Nehmen wir zum Beispiel an, du identifizierst dich als Inder. Wenn nun eine Situation eintritt, wirst du auf eine bestimmte Weise fühlen und darauf antworten. In dem Moment ist es im Sinne des nationalen Interesses vielleicht eine gute Sache, aber anstatt darauf zu reagieren, kannst du auf intelligentere Weise darauf antworten. Wenn du identifiziert bist, wirst du nur zu einer Reaktion. Du hast nicht die Fähigkeit, auf andere Weise zu denken. Du hast nicht die Fähigkeit, den Standpunkt der anderen Person zu berücksichtigen. Du hast nicht die Fähigkeit zu sehen, wo das Problem herrührt. Du wirst nur reagieren.

Es ist besser, dass du aus deiner Intelligenz heraus handelst, nicht aus deiner Reaktion. Um aus der Intelligenz heraus zu handeln, musst du als Erstes in der Lage sein, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, nicht durch eine Identität. In dem Moment, in dem du etwas aus einer Identität heraus betrachtest, bist du dem gegenüber voreingenommen.

Eine Kultur des Friedens etablieren

Meditation ist ein Weg, um dir zu helfen, deine Identität fallenzulassen und wahren Frieden zu erfahren. Zumindest wenn du sitzt und meditierst, existiert nichts anderes. Da ist nur Sein, nichts anderes.

Frieden bedeutet das Nichts. Er ist nicht etwas, das man erschafft; er ist nicht etwas, das passiert. Frieden ist etwas, das immer da ist. Was an der Oberfläche geschieht, ist Unruhe. Das ist wie beim Ozean. An der Oberfläche des Ozeans gibt es Turbulenzen, aber tief unten ist er vollkommen friedlich. Nur wenn du mit dieser Qualität im Einklang bist, kennst du wahren Frieden.