Väter und Söhne: Karan Johar im Gespräch mit Sadhguru
Sadhguru und Karan Johar sprechen über die oftmals komplizierte Beziehung zwischen Vater und Sohn
Karan Johar: Wenn wir über Familie sprechen, gibt es ein paar Dinge, die mich schon immer beschäftigt haben, und ich suche Antworten, oder besser gesagt Bestätigung, von einer höheren Energie wie dir. Ich habe mich immer gefragt, warum es eine organische Distanz zwischen Vater und Sohn gibt. Warum gibt es immer diese Angst in dieser Beziehung? Ich bin sicher, dass es viele gibt, die das in ihrem eigenen Zuhause, in ihrem eigenen Umfeld erlebt haben.
Sadhguru: Weil jede Generation die gleichen Fehler macht, was bedeutet, dass sie überhaupt nicht lernen. Die Familie ist die grundlegendste Institution im Aufbau einer Gesellschaft, was aber nicht bedeutet, dass man bei den Grundlagen bleiben muss. Deine Familie ist eine biologische Identität, die du hast. Deine Biologie ist die grundlegendste Identität. Biologie ist eine Realität – offensichtlich haben dir deine Eltern diesen Körper gegeben, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Die Art und Weise, wie dein Körper ist und wie er aussieht, ist im Wesentlichen auf sie zurückzuführen. Ihre Körper wiederum wurden ihnen von jemand anderem gegeben. Sich ein ganzes Leben lang auf seine biologische Identität zu beschränken, ist ein Verbrechen, das so viele Konsequenzen hat. Dieses Land hat viel darunter gelitten, schon seit langer Zeit.
Familie ist eine grundlegende Identität, mit der wir geboren werden. Es ist wunderbar, wenn man ein Kind ist. Ohne diese familiäre Unterstützung wärst du nicht der, der du heute bist, in vielerlei Hinsicht. Deswegen alle Hochachtung und großen Respekt vor der Familie, denn das menschliche Geschöpf wird so geboren, dass du, wenn du aus dem Schoß deiner Mutter kommst, nicht in der Lage bist, von alleine aufzustehen und Dinge zu tun wie andere Geschöpfe. Es braucht eine lange Zeit, bis aus einem Jungen ein Mann oder aus einem Mädchen eine Frau wird, wobei die Inkubation durch die Familie am wichtigsten ist. Das steht außer Frage. Aber man soll über diese Identität hinauswachsen, was eine ganze Reihe von Menschen nie tun, und sie leiden deswegen. Manchmal, wenn sie an bestimmten Orten geboren sind, lassen sie sogar eine ganze Nation leiden. Das gesamte Mahabharata ist ein Familienproblem.
Als Kind ist es äußerst wichtig, dass man sich mit der Familie identifiziert. Als Erwachsener sollst du darüber hinauswachsen. Ist es vor diesem Hintergrund notwendig, dass jeder Vater und jeder Sohn eine Art von Angst haben muss? Es geht nicht um Vater und Sohn – es sind nur zwei Männer, die im selben Haus untergebracht sind. Als du acht oder zehn Jahre alt warst, war dein Vater gottgleich. Das Problem begann, nachdem du fünfzehn oder sechzehn Jahre alt wurdest, als du ein Mann sein wolltest, und es nicht genug Platz gab. Dieser große Mann nahm zu viel Platz ein und der andere Mann dachte: „Das ist mein Platz – wer ist das?“
In dieser Situation können sich die beiden nicht als Vater und Sohn anerkennen – es sind einfach zwei Männer und nicht genug Platz. Dies geschieht nicht nur in menschlichen Familien, sondern im Leben jedes Lebewesens, sei es ein Elefant, ein Büffel oder was auch immer. Es gibt eine gewisse Reibung, und entweder der Jüngere geht, oder der Ältere. Das ist kein Problem zwischen Vater und Sohn – das sind zwei Männer, die versuchen, den gleichen Raum zu teilen und die gleiche Frau, die von dem einen „Mutter“ und von dem anderen „Ehefrau“ genannt wird.
Karan Johar: Zwei Männer! Nun, das bricht sicherlich den starken Mythos, mit dem dieses Land gearbeitet hat, denn als Problem galten immer zwei Frauen im selben Haus. Du hast es einfach auf den Kopf gestellt, was ich für wahr halte, denn ich glaube, das Problem liegt darin, dass zwei Männer nicht miteinander untergebracht werden können.
Sadhguru: Es passiert auch zwischen Frauen, wenn auch auf andere Weise. Frauen tun es auf eine weibliche, verdeckte Art. Männer tun es auf eine frontalere, kopfstossendere Art.