Beziehungen jenseits von Erwartungen
Sadhguru geht ausführlich auf die eigentliche Grundlage aller Beziehungen ein und erklärt, wie man den aufkommenden Erwartungen am besten begegnet
Was auch immer die Natur der Beziehung sein mag, was auch immer die Art der Beziehung sein mag, der wesentliche Aspekt ist dennoch, dass du ein Bedürfnis zu erfüllen hast. „Nein, für mich ist da nichts zu bekommen, ich möchte geben.“ Geben ist ein ebenso großes Bedürfnis wie Empfangen. „Ich muss jemandem etwas geben“ – das ist ein ebenso großes Bedürfnis wie: „Ich muss etwas empfangen.“ Es gibt ein Bedürfnis. Bedürfnisse mögen divers sein, dementsprechend können Beziehungen divers sein.
Die Bedürfnisse in einem Menschen sind entstanden, weil es ein gewisses Gefühl von Unvollständigkeit gibt und Menschen Beziehungen eingehen, um in sich selbst ein gewisses Gefühl von Vollständigkeit zu erfahren. Wenn du eine gute Beziehung zu jemandem hast, der dir am Herzen liegt, fühlst du dich vollständig. Wenn du das nicht hast, fühlst du dich unvollständig. Warum ist das so? Dieses Stück Leben ist eine vollständige Einheit für sich selbst – warum fühlt es sich unvollständig? Warum versucht es sich selbst zu erfüllen, indem es eine Partnerschaft mit einem anderen Stück Leben eingeht? Die grundlegende Ursache ist, dass wir dieses Leben nicht in seiner vollen Tiefe und Dimension ergründet haben. Obwohl das die Grundlage ist, gibt es einen komplexen Prozess von Beziehungen.
Der Ursprung von Erwartungen
Wo es eine Beziehung gibt, gibt es eine Erwartung. Die Erwartungen, welche die meisten Menschen erzeugen, sind derart, dass es keinen Menschen auf dem Planeten gibt, der diese Erwartungen jemals erfüllen könnte. Besonders in einer Mann-Frau-Beziehung sind die Erwartungen derart hoch, dass selbst wenn du einen Gott oder eine Göttin heiraten würdest, sie dich enttäuschen werden. Wenn du nicht in der Lage bist, die Erwartungen oder den Ursprung der Erwartungen zu verstehen, kannst du die Erwartungen nicht erfüllen. Aber wenn du verstehst, was der Ursprung dieser Erwartungen ist, kannst du eine sehr schöne Partnerschaft eingehen.
Grundsätzlich, warum hast du eine Beziehung gesucht? Weil du feststellen wirst, dass du ohne jede Art von Beziehung in deinem Leben depressiv werden würdest. Du suchst eine Beziehung, weil du glücklich sein willst, weil du freudvoll sein willst. Mit anderen Worten: Du versuchst, die andere Person als Quelle deines Glücks heranzuziehen. Wenn du deiner eigenen Natur gemäß glücklich bist, werden die Beziehungen für dich zu einem Mittel, um dein Glücksgefühl auszudrücken und nicht, um Glück zu suchen. Wenn du versuchst, das Glück aus jemandem herauszuquetschen, und dieser Mensch versucht, das Glück aus dir herauszuquetschen, wird es nach einiger Zeit eine schmerzhafte Beziehung sein. Anfangs mag es noch in Ordnung sein, weil etwas erfüllt wird. Wenn du aber Beziehungen eingehst, weil du dein Glück ausdrücken möchtest, wird sich niemand über dich beschweren, weil du in diesem Prozess deine Freude zum Ausdruck bringst und nicht die Freude der anderen Person suchst.
Wenn dein Leben zu einem Ausdruck deiner Freude wird, nicht zu einem Streben nach Glück, dann werden Beziehungen auf natürliche Weise wunderbar sein. Du kannst eine Million Beziehungen führen und sie dennoch gut führen. Dieser ganze Zirkus, zu versuchen, die Erwartungen eines anderen zu erfüllen, entsteht nicht, denn wenn du ein Ausdruck der Freude bist, möchten sie ohnehin mit dir sein. Eine Verlagerung deines Lebens vom Streben nach Glück hin zu einem Ausdruck von Freude ist das, was geschehen muss, wenn Beziehungen wirklich auf allen Ebenen funktionieren sollen, denn sie sind vielfältig.
Viele Arten von Beziehungen
Dein Körper ist in diesem Moment so beschaffen, dass er immer noch in einem Zustand ist, in dem er eine Beziehung braucht. Dein Verstand ist so beschaffen, dass er immer noch eine Beziehung braucht. Deine Emotionen sind so beschaffen, dass sie immer noch eine Beziehung brauchen. Und auf einer tieferen Ebene sind deine Energien so beschaffen, dass du auch auf dieser Ebene noch eine Beziehung brauchst. Wenn dein Körper auf die Suche nach einer Beziehung geht, nennen wir das Sexualität. Wenn dein Verstand auf die Suche nach Beziehungen geht, nennen wir das Kameradschaft. Wenn deine Emotionen auf die Suche nach Beziehungen gehen, nennen wir das Liebe. Wenn deine Energien auf die Suche nach einer Beziehung gehen, nennen wir das Yoga.
Du wirst sehen, dass du mit all diesen Bemühungen, sei es Sexualität, Kameradschaft, Liebe oder Yoga, versuchst, mit etwas anderem eins zu werden, denn irgendwie ist es nicht genug, der zu sein, der du in diesem Moment bist. Wie kannst du mit jemand anderem eins werden? Körperlich hast du es versucht. Es sieht so aus, als würdest du es schaffen, aber du weißt, dass du auseinanderfällst. Mental hast du es versucht, oftmals dachtest du, du wärest wirklich dahin gekommen, aber du weißt, dass zwei Gemüter niemals eins sind. Emotional dachtest du, du hättest es wirklich geschafft, aber zu Trennungen kommt es sehr leicht.
Wie ist der Weg, diese Sehnsucht zu erfüllen, mit etwas eins zu werden? Es gibt viele Möglichkeiten, dies zu betrachten. Vielleicht hast du das schon an einem bestimmten Punkt in deinem Leben bemerkt: Angenommen, du warst sehr freudig oder liebevoll oder ekstatisch und deine Lebensenergien fühlen sich sehr überschwänglich an – du spürst ein gewisses Gefühl der Ausdehnung. Diese Ausdehnung, was bedeutet sie? Zunächst einmal, was ist es, das du als „ich selbst“ bezeichnest? Was ist die Grundlage dafür, dass du weißt: „Das bin ich und das bin ich nicht?“ – Die Empfindung, nicht wahr? Was auch immer innerhalb der Grenzen deiner Empfindung liegt, bist du. Was auch immer außerhalb der Grenzen dieser Empfindung liegt, ist „der Andere“, und der Andere ist immer die Hölle. Du willst diese Hölle nicht erfahren, also willst du zumindest einen kleinen Teil der Menschheit als Teil von dir erfahren. Diese Sehnsucht, jemanden oder den Anderen als einen Teil deines Lebens einzubeziehen, ist das, was als Beziehung bezeichnet wird. Wenn du den Anderen einbeziehst, könnte die Hölle dein Himmel sein. Diesen Himmel zu erfahren, dieses Stück Himmel in deinem Leben zu haben, ist, was die verzweifelte Sehnsucht nach einer Beziehung ist.
Was auch immer die Sehnsucht hinter einer Beziehung ist, wenn du es über den Körper, über den Verstand oder über die Emotion versuchst, wirst du dich nur sehnen; du wirst niemals dieses Einssein kennen. Du wirst Momente des Einsseins kennen, aber es wird nie wirklich geschehen. Wenn du all das Leben um dich herum als einen Teil von dir selbst erfährst – Yoga ist das Mittel, um diese Einheit zu erfahren – wird die Art und Weise, wie du hier existierst, ganz anders sein. Wenn dies geschieht, wird Beziehung nur noch eine Art sein, auf die Bedürfnisse des anderen zu schauen, nicht mehr auf die eigenen, weil du keine eigenen Bedürfnisse mehr hast. Wenn es in dir keine Zwanghaftigkeit mehr gibt und alles, was du tust, bewusst wird, wird Beziehung ein wahrer Segen werden, nicht mehr ein Verlangen oder ein Kampf.